
Ich war Anfang fünfzig, als sie in mein Leben lief, und man sah mir an allen Ecken und Enden an, dass ich Anfang fünfzig war. Ich war schlank, aber grau, unter den Augen dauerhaft beringt, der Mund noch immer kräftig und voll, aber flankiert von zwei tiefen Furchen.
Das Einzige, was für mich sprach, war meine Seele. Rein seelisch, muss ich sagen, war ich der perfekte Mann; so eine schöne Seele besaßen die Allerwenigsten.
Ich war auch zeitlebens damit beschäftigt, an ihr zu arbeiten, hatte eine komplette Gestalt und eine Verhaltenstherapie hinter mir, zwei, drei Kriseninterventionen und eine abgebrochene Analyse. Ich hatte meine Seele geschliffen und poliert. Außerdem konnte ich gut reden, ich war witzig, ich war originell, auf bestürzende Weise offen, stellte kluge Fragen, konnte zuhören. Ich äußerte mich auch immer zu dem Gehörten, wusste die Dinge auf überraschende Weise zu verknüpfen, brachte den anderen auf andere Gedanken, tröstete, ermutigte, gab Halt, ohne dass man groß merkte, dass ich selbst mehr oder weniger haltlos war.
(S. 8)
Interview zum Buch
Man muss begreifen, dass man sterblich ist
Gespräch mit Andrea Gerk
Deutschlandfunk Kultur, 23. August 2018
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Aus den Kritiken
Salli Sallmann
rbb Inforadio
2. Oktober 2018
Das ist ein schön kluger, sympathischer Sommerroman über zwei, die in ihrem Leben den Sommer schon verlassen und dennoch in der Sonne bleiben wollen. Ja, dieses Buch ist ein großer Spaß, ein Vergnügen.
Jutta Duhm-Heitzmann
WDR 3 Mosaik
24. Oktober 2018
Tage mit Ora kommt als kluger, erfahrungspraller Reiseroman daher, der seine Leser in eine Sphäre lächelnder Leichtigkeit entführt, und doch mehr ist: eine Studie über die Kraft des Augenblicks.
Julia Schröder
Stuttgarter Zeitung
24. August 2018
Ein nur scheinbar leicht hingeplaudertes Roadmovie, erzählt eine zerbrechliche und stellenweise hinreißende Liebesgeschichte gegen jede Wahrscheinlichkeit.
Annemarie Stoltenberg
NDR Kultur
21. August 2018
Kumpfmüller […] erkundet sprachlich – sozusagen mit der Taschenlampe eines Höhlenforschers ausgestattet – die wenig bewohnbaren Gebiete ihrer komplizierten Seelen.
cowo
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
6. Oktober 2018
Tage mit Ora ist ein zweiwöchiger Roadtrip, bei dem man gern selbst dabei wäre.
Stefan Sprang
HR 1
15. August 2018
Melancholie, Witz, Ironie – das alles macht den Charme dieses feinen Spätsommer-Romans aus.